Schon an den Einladungen lässt sich deutlich erkennen, dass die Zeit vergeht. Lauteten sie früher grob zusammengefasst etwa „kommenden Samstag fieses ausuferndes Besäufnis bei Felix im Garten“, kommt der Text heuer schon etwas getragener daher:
„Am Samstag wird bei uns im Garten gegrillt! Weil diesmal auch Kinder kommen werden, geht’s schon um 15:00 Uhr los mit Kaffee(?) und Kuchen(??), ab ca. 18 Uhr wird dann gegrillt. Ich habe heute schon Bier, Weißwein, Rosé und Wasser in hoffentlich ausreichender Menge besorgt. Bitte bringt Grillgut, Salat und kindgerechte Getränke mit. Wir freuen uns auf euer kommen!“.
Interessant ist, dass der Beginn zwar auf familienfreundliche Zeiten vorverlegt wurde und die Darreichung von Kuchen in der Tat als „innovativ“ bezeichnet werden kann (zumindest im Kontext seiner Grillfeste), inhaltlich aber letztlich genau das Gleiche vermittelt wird, wie das seit Jahren der Fall ist. Die Ergänzung, dass Alkoholika diverser Art in (hoffentlich!) ausreichender Menge vorhanden sein werden, war an sich unnötig wie ein Kropf – davon geht der geneigte Grillparty-bei-Felix-Besucher einfach mal aus. Genausogut wie sinnfrei hätte er noch „wir machen ein Lagerfeuer größerer Dimension und versuchen die Feuerwehr anzulocken“ ergänzen können – das sind Dinge, die einfach vorausgesetzt werden und garantiert eintreten.Diese Einladungen führen dann bei diversen Menschen (unter Anderem bei mir) umgehend zu einem Eintrag der Kategorie „Pflichttermin“ in den Kalendern, wobei sich sofort eine gewisse Vorfreude einstellt, andererseits aber auch eine gewisse Routine. Denn der Verlauf des Tages ist kalkulierbar und folgt einer festgelegten Choreographie:
- Eintrudeln diverser immer älter werdender Bekannter. Erfreutes Johlen, Umarmungen, Frotzeleien über wachsende Bauchumfänge
- Umgehender Griff ins Getränkelager, da das Bier sonst schlecht oder mindestens warm werden könnte
- Kurze Schilderung des aktuellen Lebens-Ist-Zustandes („Bin jetzt in Berlin“, „Hab ein neues Motorrad“, „Habe neuerdings gesundheitliche Probleme mit <hier ein beliebiges Körperteil einsetzen>“, „der Hund ist dahingeschieden“, „ich brauch noch ein Bier, ich hab Durst!“)
- Anfeuern des Grills
- Essen, mehr Trinken, erwartungsvoll dem Zustand „betrunken“ entgegensehen
- Anzünden des Lagerfeuers
- Weitere Biere vor dem Verderben bewahren
- Mit dem zunehmenden Konsum von (7) stetiges Vergrößern von (6) und kontinuierliches Absenken des Niveaus
- Konstantes Wiederholen der Punkte (7) und (8)
- Heimwanken
- Erwartungsfroh auf das nächste Grillfest warten
Betrachtet man es nüchtern, stellt man fest, dass wir uns alle seit wirklich vielen Jahren kennen (teilweise mehr als zwanzig Jahre) und am Stand der Falten und grauen Haare ablesen können, dass wir alle nicht jünger werden. Und dass erstaunlicher Weise aus uns allen irgend etwas „vernünftiges“ geworden ist. Statt Dauerstudenten sind wir heute Anwälte, Ingenieure, Führungskräfte, Firmen- oder wenigstens Harley-Besitzer (erste Anzeichen für das Erreichen der Midlife-Crisis?). Viel schöner ist es jedoch zu bemerken, dass wir tief in unseren Herzen noch immer so albern und durchgeknallt sind wie früher. Offenbar bedarf es heutzutage nur etwas mehr Alkohol, um diesen Zustand wieder hervorzurufen.
Ich freu mich jetzt schon auf das Gartengrillen im kommenden Jahr!