„Ach du Scheiße. Facebook? Nee, oder?“ waren inetwa meine ersten Gedanken, als ich die Nachricht am frühen Morgen des 20. Februars im von mir bevorzugten IT-Ticker las. Die meisten meiner Leser dürften Wissen, dass ich Facebook -nicht nur, aber hauptsächlich- aus Datenschutzaspekten ablehne und dort auch nie Mitglied geworden bin. Und die kommen jetzt also in den Besitz meiner Handynummer und meiner komplette Nachrichtenhistorie? Und natürlich aller meiner Kontakte? Denn dass die bei WhatsApp auf irgendwelchen Servern liegt, darf ja wohl getrost als gegeben angesehen werden. Nun könnte man ja sagen „selber schuld“, denn ja, auch WhatsApp genießt einen eher zweifelhaften Ruf was das Sammeln von Daten angeht. Meine ganz persönliche Kosten-Nutzen-Abwägung war hier aber immer relativ einfach: Quasi alle verwenden WhatsApp. Von den etwas über 200 Kontakten, die in meinem Adressbuch stehen, benutzen mehr als 100 diesen Dienst. Die Möglichkeit, unkompliziert und ohne nennenswerte Kosten mit denen Nachrichten auszutauschen, überwog immer die „Kosten“ in Form eines Uploads meines Adressbuchs an deren Server. Ein kleines, unabhängiges Unternehmen, das immer betont hat, die Daten nicht für Werbung zu verwenden.
Vorbei. Von einem Moment auf den Anderen stehen die also auf der dunklen Seite der Macht und es bedarf nicht allzu kreativer Gedankengänge um sich vorzustellen, was folgen wird. Zunächst natürlich die Auswertung der Adressen und Chats zu Werbezwecken. Voraussichtlich auch der Verkauf dieser Daten an andere Unternehmen. Und schlussendlich irgendwann auch die Kopplung von WhatsApp an einen Facebook-Account. Über welche Zeiträume wir hier reden spielt für mich keine Rolle, der Weg dahin ist klar. Kein Unternehmen bezahlt 19 Milliarden Dollar ohne sich zu überlegen, wie sie zumindest einen größeren Teil davon wieder erwirtschaften kann.
Was also tun? Mich von WhatsApp abwenden? Geht das überhaupt noch? Isoliere ich mich damit nicht selber? Sollte ich in Zeiten von allgegenwärtigem Abhören nicht sowieso endlich mal auf eine „sicherere“ Variante der Chat-Kommunikation umstellen? Alternativen gibt es ja, aber die Benutzt ja keiner. Bis dato. Und dann kam am Freitag Abend per (klar) WhatsApp die links stehende Nachricht.Threema also. Ist mir schon häufiger über den Weg gelaufen, habe mir schon etliche Male überlegt, ob ich die 1,79€ nicht investieren sollte. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, Server in der Schweiz, Clients für iOS und Android. Dass das noch lange nicht bedeutet, dass alles sicher ist, wie hin und wieder treffend angemerkt wird, steht auf dem einen Blatt. Um ehrlich zu sein ist das aber auch nicht mein größtes Problem. Ich mag es den hinreichend bekannten Institutionen nicht allzu einfach machen an meine Daten zu gelangen – aber machen wir uns nichts vor: wenn die wirklich wollen, dann bekommen sie das hin. Zur Not wird eben wirklich direkt das Telefon infiltiriert.
Der viel spannendere Punkt ist schlicht die kritische Masse an Benutzern. Ich mag nicht für jeweils eine handvoll Menschen jeweils einen eigenen Messanger installieren müssen. Dennoch deutete sich durch die oben genannte Nachricht schon an, dass Threema offenbar mehrheitsfähig sein würde. Dementsprechend habe ich es mir installiert. Erster Start – sieben Leute aus dem Bekanntenkreis benutzen das Programm offenbar ebenfalls. Nicht eben viel, aber das ist schonmal eine gewisse Basis, auf der sich aufbauen lässt.
Und seitdem passiert Erstaunliches: Wann immer ich Threema starte, wird die Liste der Kontakte länger. Heute, drei Tage nach meiner Installation, sind aus den sieben Bekannten schon 20 geworden. Offensichtlich findet eine gewisse Wanderbewegung statt und dank diverser Empfehlungen scheinen immer mehr Leute zu dieser App zu wechseln. Dass man sich um das Geschäftsmodell des Betreibers an sich Sorgen machen muss (von 1,79€ pro Nutzer werden die sich dauerhaft nicht finanzieren können) mag man einstweilen beiseite schieben. Wichtiger ist der Effekt als solcher. Offenbar sind seit der Facebook-Übernahme von WhatsApp genug Menschen bereit, sich nach einer Alternative umzusehen. Ob nun aus Datenschutzbedenken, Sicherheitsgedanken oder einfach nur, weil es der Freundeskreis so praktiziert, halte ich für unerheblich. Viel Wichtiger ist, dass das überhaupt passiert. Die ganzen WhatsApp Alternativen gab es schon länger, sie dümpelten aber in der Bedeutungslosigkeit vor sich hin. Das scheint sich gerade zu ändern. Und zumindest mein Bekanntenkreis scheint sich auf Threema geeinigt zu haben. Ob hier jemals die gleiche Nutzerbasis erreicht wird, wage ich zu bezweifeln, aber das ist auch nicht weiter wichtig, so lange meine Bekannten dort sind und ich sie mit dieser App erreichen kann.
So könnte quasi „aus Versehen“ eine Verschiebung hin zu ein Bisschen mehr Datenschutz stattfinden. Was die NSA-Affäre nur höchst bedingt geschafft hat, geschieht nun quasi durch die Hintertür, weil eine gierige Datenkrake nach einem riesigen Datenschatz gegriffen hat und viele Menschen hierbei nicht mehr mitspielen wollen. Nicht das Bedürfnis nach „Sicherheit“ scheint der Auslöser zu sein, sondern eine gewisse Anti-Facebook-Haltung. Selbst unter Facebook-Mitgliedern selbst. Etliche meiner Freunde merken an, dass sie Facebook nur das absolut Notwendige an Daten anvertraut hätten. Und die Kombination mit ihren WhatsApp-Nachrichten und Adressbüchern sei nun doch zu viel des Guten. Das Kind liegt zwar schon im Brunnen, aber das ist in meinen Augen keine Rechtfertigung, einfach wie gewohnt weiterzumachen.
Dieser Deal könnte sich unter Umständen zu einem Fiasko für Facebook entwickeln. Denn wenn (man wird ja wohl träumen dürfen) sich die aktive Nutzerbasis nun von WhatsApp abwenden sollte, sinkt auch der Wert der von Facebook gekauften Daten bzw. die erkaufte Präsenz auf unserer aller Mobiltelefonen.
Ich für meinen Teil strecke Herrn Zuckerberg die virtuelle Zunge heraus und werde WhatsApp künftig meiden wo ich kann. Ganz ohne wird es erst gehen, wenn der Großteil meines Freundeskreises bei der Alternative gelandet ist – aber ich kann meine Nutzung wenigstens immer weiter herunterfahren. Schlimm genug, dass meine Daten nun doch bei Facebook gelandet sind – aber es müssen ja nicht noch mehr werden.
In diesem Sinne: Ich wäre dann mal bei Threema.