Aus rein praktischen Überlegungen heraus (böse Zungen mögen es auch schnöde Konsumlust nennen), habe ich damit begonnen, die Innenstadt unter die Lupe zu nehmen. Die U-Bahn vor der Haustür bringt mich innerhalb von 12 Minuten zum Stachus (der eigentlich Karlsplatz heißt), einem der zentralen Personenumschlagplätze innerhalb Münchens. Rein touristisch betrachtet, kommt man am Verweilen am beeindruckenden Brunnen nicht vorbei, zumindest sofern man einen der begehrten Sitzgelegenheiten ergattern kann. Gönnt man sich zuvor bei McDonalds ein Getränk seiner Wahl, kann man dies übrigens mit dem Wissen tun, in einer der weltweit umsatzstärksten Filialen gewesen zu sein – angeblich belegte sie 2006 die Führungsposition. Wer es am Brunnen lieber literarisch mag, der gehe halt neben an zu Hugendubel und erwerbe ein kluges Buch. Einen München-Führer beispielsweise.
Der Stachus bildet quasi das westliche Einfallstor in die Fußgängerzone, die Kaufingerstraße, welche man durch das Karlstor betritt. Sieht man davon ab, dass die dort angesiedelten Gebäude architektonisch wirklich reichlich was hermachen (zumindest wenn man sie mit der Königstraße in Stuttgart vergleicht), dann unterscheiden sich die beiden inhaltlich nicht sonderlich voneinander. H&M, Saturn, Zara, Kaufhof und Konsorten sind ja doch überall die Selben, lediglich die Reihenfolge variiert heutzutage ja noch von Stadt zu Stadt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch auch feine Unterschiede und allgemeine Erkenntnisse herausarbeiten:
1) Die Auswahl der Straßenmusikanten ist in München niveauvoller. Bisher hat kein Inka-Panflöten-Gedudel meine Gehörgänge geplagt – allein das rechtfertigt den Umzug im Nachhinein. Notstromaggregate scheinen nicht zugelassen und ohne solche bringen die Jungs mit dem lustigen Federschmuck ja keinen Ton raus, weil sie ihr Hintergrundgedudel nicht einspielen können.
2) Bedingt durch die Häufung kulturell mal mehr (Frauenkirche), mal weniger (Hofbräuhaus) wertvollen Einrichtungen in unmittelbarer Nähe ist die Touristendichte extrem hoch. Erfreulicher Weise erkennt man sie recht schnell. Zur Identifikation empfehle ich folgende Kriterien: fleißiges umherwedeln mit Stadtplänen oder Reiseführern / eindeutig asiatische Herkunft / sehen entgegen der empfundenen Mehrheit der Stadtbewohner NICHT so aus, als wären sie gerade auf dem Weg zum nächsten Casting von Germany’s next Topmodel oder frisch von der Sonnenbank gehüpft.
3) Gebäude, auf denen „Kaufhof“ steht, sind grundsätzlich an allen Orten potthässlich.
4) Die in Stuttgart herrschende Durchdringung mit Starbucks-Filialen kann tatsächlich übertroffen werden.
5) Der für die Touristen feilgebotene Tand und Nippes übersteigt jegliche Vorstellungskraft bezüglich schlechten Geschmacks. Früher oder später landet man dann quasi zwangsläufig am Marienplatz vor dem neuen Rathaus (das alte steht direkt daneben und wurde, da zu klein geraten, eben durch jenes ersetzt, auf dessen Balkon der erfolgreichere der beiden örtlichen Fußballklubs sich ausführlich bejubeln lassen kann, sofern er nicht wieder dauernd nur zweiter wird). Der Marienplatz ist gleichzeitig die Kreuzung der vier großen Einkaufsstraßen und damit zwangsläufig der Punkt des Zusammenpralls zwischen Touristen- und Konsumentenströmen. So nett das Rathaus auch anzusehen ist – ich empfehle schnellstes Weiterwandeln, das ist für die eigenen Nerven definitiv angenehmer als langes Umherstehen und umgerempelt werden, weil die Reisegruppe von nebenan es leider eilig hat mit dem Fotographieren. Wenn man dem innenstädtischen Trubel entfliehen möchte, dann empfehle ich den Gang durch die (noch ziemlich volle) Theatinerstraße zum (schon erheblich leereren) Odeonsplatz. Hier kann man einerseits bei einem Kaffe (Starbucks, San Francisco Coffee Company oder doch was Eigenständiges – ganz wie’s beliebt) entspannen und nebenher von der Feldherrnhalle einen Blick auf die Ludwigstraße bzw. die Leopoldstraße werfen, die etliche Kilometer schnurgerade bis zur Münchner Freiheit verläuft. Andererseits kann man hier dann auch einfach in den Hofgarten abbiegen und in Richtung Englischer Garten weiterspazieren.
Was mich definitiv fasziniert ist die Mischung aus allen dem. Die richtig schönen alten Gebäude, die Menschen (die das volle Spektrum zwischen funktionswäschegekleidetem Touristen über Studenten über traditionell gekleidete Einheimische älteren Semesters über kann-mich-endlich-ein-Millionär-entdecken-Schnecken bis hin zu den von Kunstbräune gezeichneten und faltenunterlegten Dieter Bohlen Verschnitten so ziemlich alles umfasst, was man sich vorstellen kann), der offen zur Schau getragene Kommerz, aber eben auch die Anhäufung wichtiger kultureller und politischer Einrichtungen. Ich habe Stunden damit verbracht, vor einem Kaffee zu sitzen und einfach nur zuzuschauen, wie ein vermutlich repräsentativer Querschnitt Münchens an mir vorbeizog – einer Beschäftigung, der ich ja in Stuttgart schon gern nachgekommen bin. Aber hier in München fällt das alles nochmal eine Spur krasser aus. Es ist toll! :-)
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