Eigentlich ist es ja fast schon ein Bisschen peinlich. Da lebe ich seit rund einem Jahr in München, habe die Alpen quasi direkt vor der Haustür – war aber noch nie dort. Ein Zustand, der eigentlich keiner ist und dringend geändert werden musste. Da kam der aktuelle Urlaub gerade recht – am Dienstag habe ich endlich mal meinen ersten Ausflug Richtung Bergwelt unternommen.
Über die A95 ist man in rund einer Stunde in Garmisch und von dort aus kann man ja hervorragend zu allerlei Bergtouren aufbrechen. Wobei ich mich erstmal sehr konventionell verhalten habe. Mein letzter Besuch auf der Zugspitze ist mindestens 25 Jahre her (vermutlich länger), also wollte ich meine Füße mal wieder auf den höchsten Berg Deutschlands stellen. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte.
Die Bayrischen Bergbahnen bieten ein Paket aus „Zugspitze“ und „Garmisch Classics“ an, was für nicht eben billige 59 Euro die Fahrt auf die Zugspitze und weitere Fahrten in Richtung Alpspitz ermöglicht. Die zusätzlichen neun Euro für die „Classic“-Variante schienen mir einen lohnende Investition – nur Zugspitze und zurück will mit 50 Euro erkauft werden. Sofern man nicht laufen will. Schön sehen kann man meine Tour auf nebenstehendem Übersichtsplan. Meine Idee: Mit der Zahnradbahn zunächst zum Gletscher unterhalb des Zugspitzgipfels, dann mit der Seilbahn hoch, von dort mit der Seilbahn zurück zum Eibsee, wieder in die Bahn bis Kreuzeck, dort mit der Seilbahn hoch zum Osterfelderkopf, weiter zum Kreuzeck und von dort mit der Seilbahn wieder runter. Ab in den Zug und zurück nach Garmisch. Klingt gut. War es auch.Um kurz vor neun saß ich in der Bahn zum Gletscher, was eigentlich zwei Bahnen sind. Man muss nämlich in Grainau von der normalen Bahn in die Zahnradbahn umsteigen. Und mit der ging es dann sehr gemütlich hoch zum Zugspitzgletscher, Foto-Halt oberhalb des Eibsees eingeschlossen. Oben angekommen war plötzlich alles ganz wunderbar. Das Wetter (keine Wolke weit und breit, was sich im Lauf des Tages leider änderte), der Touristenfüllstand (sehr überschaubar), die Temperatur (18 Grad – ein Traum, wozu habe ich eigentlich eine Jacke eingepackt?). Ich hätte mir vom Gletscher etwas mehr erwartet – viel ist von dem aktuell nicht übrig. Laut Führung (der ich mehr oder weniger zufällig kurzfristig beiwohnte) geht er jedes Jahr weiter zurück, was dazu führt, dass man einzelne Skilifte abbaut und an einer anderen Stelle wieder aufstellt. Am Rand des Gletschers habe ich zunächst einen recht ausgedehnten Spaziergang zum Bergkamm unternommen, da man von dort einen tollen Ausblick haben sollte. Den hat man auch. Allerdings nötigt mir eine fast senkrecht abfallende Bergflanke dann doch gehörigen Respekt ab – einfach mal schnell so an den Grat stellen ist nicht drin. Eher vorsichtiges hinrobben und krampfhaftes Festhalten der Kamera. Ich war schon entspannter – aber der Blick war es wirklich wert. Das Ganze stellte sich als anstrengender heraus als ich es mir vorgestellt hatte – in den Bergen geht einem der Sinn für Steigungen ein Wenig verloren – der Weg sah eigentlich recht flach aus – er war es allerdings ganz und gar nicht.
Wieder zurück nahm ich dann die Seilbahn hoch zum Gipfel. Eine Aktion, die ich mir hätte sparen sollen. Ehrlich. Sieht man vom Ausblick ab, ist da oben ziemlich wenig wirklich „schön“. Mich hat (inzwischen war es schon 13:00) schier der Schlag getroffen, als ich oben angekommen bin. Es hatte den Anschein, als würde es irgend etwas umsonst geben – warum sonst sollte es dort so voll sein? Sommerschlussverkauf? Heino singt seine schönsten Berglieder? Wer meine „Vorliebe“ für große Menschenmengen kennt, dürfte wissen, wie ich mich gefühlt habe. Für alle anderen: Nach rund fünf Minuten Aufenthalt kamen schwer zu unterdrückende Gelüste auf, den nächstbesten dumm im Weg stehenden Touristen (nein, ich selbst bin kein solcher, keinesfalls!) über die nächste Brüstung schupsen. Um zum Gipfelkreuz zu gelangen muss man ein paar Meter klettern (was ich nicht getan habe, ich wollte mir nicht auf die Füße treten lassen) – dass man dort keine Nummer ziehen musste, war schon fast ein Wunder. Nötig wäre es durchaus gewesen, es war proppenvoll. Und man glaubt ja gar nicht, wie manche dort unterwegs sind. Ich habe ernsthaft Menschen gesehen, die sich in Sandalen auf den Klettersteig zum Gipfelkreuz begeben haben. In solchen Momenten finde ich es spontan immer schade, wenn sie nicht runterplumpsen. Verdient hätten sie es.Ansonsten hat die Gipfelstation wirklich nichts zu bieten außer überteuerten Snacks, kitschigen Postkarten und allerlei idiotischem Nippes. Nein, den Besuch da oben kann man sich wirklich schenken. Oder wenigstens nicht mehr als zehn Minuten Aufenthaltsdauer einplanen. Die reichen nämlich um einmal in alle Richtungen zu schauen. Übrigens: Den Einzigen, denen ich den Besuch auf dem Gipfelkreuz gegönnt habe, war eine Gruppe von drei Kletterern, die wirklich dahin geklettert sind (sie ist auf einem der Bilder zu sehen). Die nächste Stufe der sinnfreien Tourismusförderung wäre vermutlich die Installation einer Rolltreppe zum Gipfelkreuz. Würde mich nicht wundern, wenn man darüber schon nachdenkt.
Bitte nicht falsch verstehen: Auch ich war da natürlich nur einer dieser gerade von mir beschimpften Touristen. Aber ich habe mich eben nicht nur plump auf den Gipfel karren lassen um dort ein Bier zu trinken. Die Meisten sind noch nicht mal zum Gletscher runtergefahren um da ein paar Meter zu laufen. Nee, dabei könnte man sich ja die Absätze an den Schühchen abbrechen. Himmel hilf!
Ihr seht schon: Der Gipfelbesuch gehört nicht zu meinen Tagesheiglights. Aber ich wurde entschädigt. Denn als ich dann mit der Seilbahn auf den Osterfelderkopf gefahren bin, war alles wieder gut. Hier war alles sieben bis neun Nummern entspannter. Nur wenige Touristen, Ruhe, romantische Bergwelt at it’s best. Hierher hätte ich gleich kommen sollen, denn jetzt hatte ich das, was ich mir insgesamt erhofft hatte. Dieses oft beschriebene Gefühl von Freiheit und Entspannung. Auf die Wiese setzen und die Natur genießen. Hier ging das plötzlich. Die eineinhalb Stunden Spaziergang (man kann das erheblich schneller schaffen, aber ich habe zwischendurch zu viele Bilder gemacht, was dann doch immer etwas aufhält, aber genau dazu bin ich ja hergekommen) zum Kreuzeck waren sehr fein. Der örtliche Tourismusverband hat sich hier viel Mühe gegeben – entlang des Weges gibt es diverse Stationen (die eigentlich für Kinder gedacht sind) an denen man etwas über die Bergwelt lernen kann, die lokalen Sagen kennenlernt, Bergkräuter-Duft schnuppern darf oder sich ein paar hölzernen Liegestühlen entspannen kann. Das hat richtig Spaß gemacht!„Wieder was gelernt“ würde ich sagen. Zugspitze auslassen, weniger prominente Berge besuchen. Und die dafür umso mehr auskosten. Ob ich mich je an einen Klettersteig wagen werde, kann ich nicht sagen. Vermutlich eher nicht, aber man kann ja auch ohne jede Menge Spaß haben. Ich gehe davon aus, dass ich die 80km in Richtung Berge in Zukunft häufiger auf mich nehmen werde…
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