Neues Spielzeug

Das Projekt „neues Fahrrad“ existiert auf dem Papier schon relativ lange (genau genommen seit ich vor zweieinhalb Jahren nach München kam), war aber nie dringend. Und mit einer gewissen Hemmschwelle verbunden – denn der Erwerb eines neuen fahrbaren Untersatzes würde erstens vermutlich recht zeitaufwendig und zweitens nicht minder finanzaufwendig werden.

Spielte es in Laim noch eine recht geringe Rolle, hat die Fortbewegung per Rad in Schwanthalerhöhe erheblich an Attraktivität gewonnen, da die innenstädterische Lage die Fahrtstrecken verkürzt. Dadurch gewann der Wunsch nach einem Zweitrad in den letzten Wochen erheblich an Gewicht, denn der ständige -mit ein Bisschen Aufwand verbundene- Wechsel zwischen Trainingsrolle und Normalnutzung im Stadtverkehr fiel mir dann doch dezent auf die Nerven.

Das bisherige -auch schon über 15 Jahre alte- Radl für die Fahrten in die Nachbarschaft und eines für die sportliche Betätigung. So der Plan.

Die Sache mit dem Zeitaufwand habe ich recht pragmatisch gelöst, mich nämlich nur bedingt selbst damit beschäftigt, welche Rad-Arten gerade hip sind, welche Komponenten der neueste technische Schrei. Das einmal alle 15 Jahre zu tun, halte ich für ineffizient, denn in die Materie „Fahrrad“ liest man sich nun mal nicht in 30 Minuten ein. Wozu also diesen Aufwand, wenn ich im Freundeskreis doch über einen höchst erfahrenen Fahrrad-Schrauber und einen „Ich habe alle Fahrrad-Tests auf Youtube gesehen. Wirklich alle“-Experten verfüge. Preisklasse und gewünschten Einsatzzweck vorgeben und mal sehen, was sie mir empfehlen.

Letztlich angesehen habe ich mir Räder von Cannondale und Specialized, wobei ich beim Besuch entsprechender Händler (in diesem Fall bevorzuge ich definitiv den Fachhändler und die Ecke, auch wenn das Internet mehr Auswahl und günstigere Preise verspricht) etwas desillusioniert lernen musste, dass das Marktsteuerungsmittel der künstlichen Verknappung  leider auch in der Fahrradbranche um sich gegriffen hat. Was hilft es denn, sich schon im Vorfeld ein paar Modelle auszugucken, wenn diese dann durch die Bank gar nicht mehr lieferbar (da vergriffen) oder nur noch in unpassenden Rahmengrößen verfügbar sind? Mein Favorit war nicht mehr zu bekommen. Natürlich hätte ich ihn im Internet bestellen können – aber ein Rad, das ich vorher nicht probefahren konnte, werde ich nicht lediglich aufgrund seiner technischen Daten und ein paar Fotos bestellen.

Wirklich problematisch sollte dies dann erfreulicher Weise nicht sein. Denn im Laden vor Ort gab es ausreichend ähnliche Modelle und bei meiner Art der Nutzung spielt es schlussendlich kaum eine Rolle, ob ich mir ein auf sportlich getrimmtes Trekkingrad oder ein in Richtung „in gewissem Rahmen geländegängig“ entwickeltes Rennrad zulege.

Eigentlich war der Trip in den Fahrradladen als erster Sondierungsbesuch geplant. Dann hätte ich aber wohl lieber auf die Probefahrten verzichten und es beim bloßen Diskutieren über einzelne Modelle belassen sollen. So wurde mir aber bei der Testfahrt von Rad #2 schon nach wenigen Metern klar, dass ich es kaufen würde. Weil einfach alles passte. Als wären mein Hintern und der Sattel füreinander bestimmt.

Am Abend darauf habe ich es abgeholt.

Und so befindet sich jetzt also ein in Rennradform gebrachter Haufen Kohlefasern mit dem etwas sperrigen Namen „Specialized Roubaix SL4 Comp Disk BLK 54, Project Clean Satin Black, 2015“ in meinem Besitz. Und macht mich ziemlich glücklich. Ach was, lässt mich permanent grinsen wie ein Honigkuchenpferd, so sieht’s aus. Wer sich für die technischen Daten interessiert, findet diese hier, mich selber interessieren die nur bedingt, das Fahrgefühl ist weit wichtiger. Und das hat mich nachhaltig beeindruckt.

Im Vergleich zu meinem reichlich betagten Rad aus Aluminium fühlt sich das neue an, als wäre es einer anderen Zeit entsprungen. Ist es ja auch. Aber dass dieser Sprung derartig gewaltig ausfallen würde, hätte ich nicht gedacht. Gut, es ist nicht wirklich fair, ein Rad, das stark auf die 20 zugeht und seinerzeit irgendwie was um 1500 Mark gekostet hat, mit einem zu vergleichen, das dem neuesten Stand der Technik entspricht und sich preislich im mehrfachen Bereich des anderen bewegt. Aber was soll ich machen, ich kann nur diese beiden miteinander vergleichen.

Rund 130 Kilometer habe ich auf dem Neuen inzwischen hinter mir. Die ersten Fahrten dienten der Eingewöhnung – ich hatte noch nie ein Rennrad (die Sitzposition war anfangs recht ungewohnt), bin noch nie mit Scheibenbremsen gefahren und das Schalt-/Bremssystem funktioniert komplett anderes als bisher. Da fährt man die ersten paar Kilometer mal sicherheitshalber etwas vorsichtiger. Letztlich kam ich mit denen aber sehr schnell klar. Weit länger dauerte es, bis ich mich daran gewöhnt habe, wie direkt das Rad auf Lenkbewegungen reagiert, da der Rahmen wesentlich steifer ist als der alte. Man zuckt ein Bisschen am Rohr und das Rad zuckt mit. Sofort und unmittelbar. Heißt: ab sofort viel vorsichtiger lenken. Hab ich inzwischen weitgehend verinnerlicht, auch wenn ich dem ein oder anderen Schlagloch nach wie vor zu abrupt ausweiche und das Rad dann erstmal abfangen und zurück auf Kurs bringen muss. Langsam bekomme ich das aber in den Griff.

Und habe mit dem Rad gerade richtig viel Spaß. Nach drei etwas ausführlicheren Touren in München und Stuttgart (zwei mal dreißig, einmal vierzig Kilometer) kann ich ein erstes Fazit ziehen. Die Investition hat sich definitiv gelohnt. Das Radl beschleunigt, als gälte es Rennen zu gewinnen (nu gut, dazu wurde es ja auch gebaut). Es schaltet blitzschnell und blitzsauber, gleitet wie eine eins, bremst brachial und wiegt quasi nix. Empfunden brauche ich für meine Radtouren nur noch die Hälfte der Energie aufwenden, die mit dem alten Rad fällig war, vor allem bergauf macht richtig Spaß.

Nun könnte man natürlich sagen, dass man solche Fahreigenschafte von einem Rad dieser Preisklasse wohl erwarten darf. Darf man vermutlich auch. Aber da ich solch hochwertiges Sportgerät bis dato nicht gewohnt bin, bin ich einfach nur begeistert. Und würde gern jede freie Minute im Sattel verbringen. Was aber weder Zeit noch Muskulatur zulassen. An letzterer wird jetzt gearbeitet. Und am Tempo, denn da ist sicher noch einiges drin. Das Laufen kommt in nächster Zeit dann vermutlich ein Bisschen kürzer…

 

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